Seit Juni 2022 gibt es in Lychen die „Handwerksbäckerei Lychen“. Inhaber ist der 29-jährige Bäckermeister Julien Strittmatter, der in der Uckermark in einer Familienbäckerei aufwuchs, mit vier Jahren sein erstes Brot in den Backofen schob. Dann nach Berlin ging und nach Abitur, Studium, Bäckerlehre und Meisterausbildung zurückkehrte in die Uckermark und mit seiner Familie seit 2021 in Lychen lebt. Er hat dort einen traditionsreichen Bäckereistandort wiederbelebt und setzt auf Handwerk, hochwertige Zutaten und Leidenschaft. Beim Arbeiten lässt er sich gern auf die Finger schauen.
Handwerksbäckerei Lychen
Bäckermeister Julien Strittmatter
Stargarder Straße 21
17279 Lychen
www.handwerksbäckerei-lychen.de
Eigentlich ist seit 13 Uhr zu, doch als Julien Strittmatter noch zwei neugierig-hungrige Urlauber in den Laden lässt, ist es schon fast eine halbe Stunde später. Viel ist nicht mehr da, aber auch sie verlassen mit einer duftenden Bäckereitüte und einem zufriedenen Lächeln den kleinen Laden. Hinter ihnen schließt der Bäckermeister, der seit Mitternacht in der Backstube steht, die Tür dann wirklich ab, streicht sich Butter auf eine noch warme Scheibe Brot und nimmt sich Zeit für unser Gespräch.
Lychen ist ein beliebter Urlaubsort, vor allem im Sommer gibt es viele Gäste. Hat das bei der Entscheidung, hier eine Bäckerei zu eröffnen, eine Rolle gespielt?
Ganz ehrlich: Nein. Ich wollte selbständig glücklich werden, meine Produkte in meinem eigenen Unternehmen anbieten. Und ich habe mich für Lychen entschieden, weil es hier keinen Handwerksbäcker mehr gab. Also arbeite ich ohne den Konkurrenzdruck, wie es ihn zum Beispiel in Berlin gibt. Außerdem ist Lychen ein guter Ort zum Leben für mich und meine Familie. Ich habe vor der Geschäftseröffnung mit den Menschen in Lychen und der Umgebung kalkuliert. Erst die Beraterin bei der Bank meinte dann, ich könne mutiger an die Zahlen gehen, da es im Sommer mit den Tagesgästen und Urlaubern ja noch einen größeren Markt für mein Angebot gebe. Sie hatte Recht.
Wie hat sich das in den ersten Wochen seit der Eröffnung gezeigt?
Die Nachfrage ist größer als gedacht. Weil mehr Menschen kommen, Lychener und Gäste. Nun gibt es ja immer den Reiz des Neuen, aber viele kommen nach der ersten Neugier, nach dem Ausprobieren, wieder. Das bestätigt mich, die Qualität stimmt offensichtlich. Und ich bekomme gerade ständig neue Anfragen von touristischen Anbietern, Hotels, Gastronomen, ob ich sie beliefern kann. Das ist mehr und geht viel schneller, als ich dachte. Ich merke, dass das, was ich produziere und wie ich es produziere, gefragt ist. Da sind zum Beispiel Hotelgäste, die bei uns waren und am nächsten Morgen mit den angebotenen Brötchen am Buffett nicht mehr zufrieden waren, weil sie gesehen haben, dass es Besseres gibt. Und dann kommt der Besitzer zu uns und bestellt … Für ein Mobil mit veganem Streetfood backe ich jetzt unter anderem Burgerbrötchen, die Burgerbuns. Es entsteht gerade ein ganzes Netzwerk, von dem beide Seiten, meine Bäckerei und die Kunden, profitieren. Einheimische und Gäste gleichermaßen.
Was ist das Besondere an den Produkten der Handwerkbäckerei?
Das Handwerk, die Zeit, die Zutaten. Und noch viel mehr. Eigentlich ist es so, dass ich Geschichten erzähle mit meinem Brot und meinen Brötchen und mit meiner Art sie herzustellen. Ich verwende zum Beispiel Opas alte Schrippenrezepte. Das Mehl, ausschließlich Dinkel- und Roggenmehl, kommt in Bioqualität aus Paulicks Wassermühle in Müschen im Spreewald, Quark und Milch kommen aus dem Ökodorf Brodowin, die Eier von den Landwirten Krasemann gleich um die Ecke. Die Hühner bekommen das alte Brot, wenn es denn mal welches gibt. Bei Butter bin ich noch auf der Suche. Alle dunklen Teige stelle ich ausschließlich mit Sauerteig als Triebmittel her. Bei mir ist nichts aus der Tüte, nichts schnell eingerührt und aufgebacken. Ein Brot, das sind im Grunde drei Zutaten aus der Natur: Mehl, Wasser und Salz. Um daraus ein Brot werden zu lassen, braucht es Zeit und Hand-Werk, im wahrsten Sinne des Wortes. Ich stehe nachts in der Backstube und empfinde Dankbarkeit, Stolz und auch Ehrfurcht. Und ich glaube und hoffe, all das schmeckt man. Mir haben Menschen erzählt, dass sie jahrelang kein Brot mehr gegessen haben, weil sie es nicht vertragen haben. Jetzt genießen sie es wieder. Ich finde, dass das, was ich tue, gut hierher in die Uckermark passt. Es ist meine Art, dankbar zu sein, etwas an die Region zurückzugeben, in der ich so eine großartige Kindheit verleben konnte.
Ist das alles als Ein-Mann-Betrieb zu schaffen?
Ist es nicht, das habe ich schnell gemerkt. Ich will der Nachfrage, aber auch meinen eigenen Ansprüchen gerecht werden. Ich stoße da aktuell auf viel Solidarität und Hilfsbereitschaft von Mitstreitern und werde Mitarbeiter einstellen. Und ich kann mir auch vorstellen, selbst auszubilden.
In der Uckermark ist vor allem im Sommer „Saison“. Welche Rolle spielt das für die Bäckerei?
Die Handwerksbäckerei ist natürlich ein Ganzjahresbetrieb. Im Winter, wenn es ruhiger wird, sind es eben andere Anforderungen. Restaurants und Cafés werde ich auch in dieser Zeit beliefern und beim Backen gibt es dann andere Herausforderungen – Stollen zum Beispiel. Und wir sind hier ein Anlaufpunkt im Warmen. Ein warmes Getränk, warmes Brot, ein paar Sätze miteinander reden. Das tut doch gerade im Winter gut.
Miteinander ins Gespräch kommen, spielt ohnehin eine Rolle in der Bäckerei …
Ich backe hinter großen Scheiben, jeder kann zugucken. Man kann kosten oder frühstücken, es gibt guten Kaffee und auf Fragen immer eine Antwort. Ich habe einige Zeit in Italien verbracht und mag diese schöne Tradition, in der „Bar“ einen „Caffè“ zu trinken, Neuigkeiten auszutauschen, kurz Luft zu holen. Ich will es Menschen leicht machen, hier eine Pause einzulegen, Brotduft zu genießen, ein paar Worte zu wechseln. Und nach ein paar Minuten kann es weitergehen. Wenn möglich mit einem Lächeln. Ich will mein eigenes wohliges Gefühl, dass ich hier verspüre, weitergeben. Tolle Natur und schlechte Laune, das passt doch nicht und muss auch nicht sein. Ich glaube, dass nicht nur Urlauber und Gäste Freundlichkeit und Offenheit schätzen, auch uns selbst tut das gut.
Die Handwerksbäckerei gibt es erst seit 5 Wochen. Ein Blick in die Zukunft: Wie sieht es hier in zehn Jahren aus?
Natürlich weiß ich nicht, was sein wird, aber gegessen wird immer und gutes Essen, gutes Handwerk und gute Qualität werden immer gefragt sein. Deshalb glaube ich, dass diese Produktionsstätte dann längst zu klein ist. Hier in der Stargarder Straße, nur ein paar Meter weiter Richtung Ortsmitte, steht das Gebäude der ehemaligen Lychener Getreidemühle. Gemahlen wird dort leider seit 30 Jahren nicht mehr, aber ich könnte mir vorstellen, in den Räumen der Mühle zu backen. Da würde sich ein Kreis schließen.
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Interview geführt von Birgit Bruck